Die Zukunft der Fotografie im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz

Kollegen im modernen Arbeitsumfeld betrachten gemeinsam Inhalte auf einem Tablet und tauschen sich freundlich aus – symbolisiert Teamwork und digitale Arbeitskultur.

Beispielbild aus dem BPP Workshop „Employer Branding Fotografie“

Die Podiumsdiskussion auf dem Summer Light Festival des BPP war für mich der Anlass, meine Gedanken zur Zukunft der Fotografie, zur Rolle von KI-Systemen und zu unserem sich wandelnden Berufsbild mal zusammenzutragen. In den letzten Monaten ist in Gesprächen mit Kolleg:innen, Kunden und im eigenen Nachdenken immer deutlicher geworden: Wir stehen an einem spannenden Punkt. Generative KI verändert die Art, wie Bilder entstehen – und noch viel mehr: Sie verändert die Rolle, die wir als Fotograf:innen künftig einnehmen müssen.

Oft wird diskutiert, ob MidJourney, DALL·E und ähnliche Systeme uns eines Tages ersetzen werden. Ob sie irgendwann nicht nur Bilder generieren, sondern auch visuelles Storytelling beherrschen. Ob unsere Arbeit dann noch gebraucht wird. Für mich ist die Antwort klar: Unsere Aufgabe wird wichtiger denn je. Nicht, weil wir uns gegen neue Technologien stemmen, sondern weil unser eigentlicher Wert viel tiefer liegt als im Beherrschen von Kameras oder Software.

Fotografie ist mehr als nur das Bild

Generative Bild-KI kann heute beeindruckende Motive erschaffen: komplex im Inhalt, ästhetisch ansprechend, technisch makellos. Aber eines kann sie nicht – den Kontext verstehen, in dem diese Bilder wirken sollen. Der künstlerische Blick entsteht nicht durch das Generieren von Inhalten, sondern durch Erfahrung, Intuition und die Fähigkeit, Zwischentöne und Geschichten zu erkennen.

Dazu passt mein Buch „Mit Bildern Geschichten erzählena“, in dem ich zeige, wie Storytelling mit Bildern funktioniert – und warum es eben nicht nur aufs Motiv ankommt.

Besonders deutlich wird das im direkten Umgang mit Kunden. Ein Text-to-Image-Modell kann nicht gemeinsam mit einen Unternehmen herausarbeiten, welche Markenwerte sie transportieren möchte, welche Zielgruppen sie erreichen will, welche Geschichte ihre Bilder erzählen sollen. Diese strategische Beratungsleistung bleibt zutiefst menschlich. KundKundenhen keine reinen Bilderzeuger:innen – sie suchen Partner:innen, die mitdenken, Fragen stellen, beraten und den gesamten visuellen Prozess begleiten. Hier beginnt unser eigentliches Arbeitsfeld: nicht bei der Kamera, sondern bei der Konzeption.

Ausbildung neu denken

Für die fotografische Ausbildung bedeutet das einen grundlegenden Wandel. Natürlich bleibt technisches Wissen wichtig. Blende, Zeit und ISO bilden die Basis, auf der wir arbeiten. Aber sie sind längst nicht mehr das Herzstück unserer Kompetenz. Junge Talente müssen lernen, visuelle Geschichten zu entwickeln und beratend tätig zu sein. Es geht darum, den gesamten Kommunikationsprozess zu verstehen: Was braucht die Marke? Wie entsteht eine visuelle Identität? Wie entwickelt man tragfähige Bildstrategien?

Ein weiteres Defizit zeigt sich im wirtschaftlichen Teil der Ausbildung. Es reicht längst nicht mehr, nur eine rechtlich saubere Rechnung schreiben zu können – auch wenn selbst das vielerorts noch nicht ausreichend vermittelt wird. Junge Fotograf:innen müssen den Wert ihrer eigenen Fähigkeiten kennen, ihre Leistungen realistisch kalkulieren und diese gegenüber Kunden selbstbewusst vertreten. Ohne dieses Verständnis laufen sie Gefahr, sich unter Wert zu verkaufen und langfristig keine tragfähigen Geschäftsmodelle aufzubauen.

Dazu gehört ebenso ein solides Wissen über Urheberrecht und Nutzungsrechte – und die Fähigkeit, diese professionell in die eigene Arbeit einzubringen und abzurechnen. Die kreative Leistung ist nur ein Teil des Gesamtangebots. Genauso wichtig ist es, die eigene beratende Tätigkeit als festen Bestandteil der Kalkulation zu begreifen. Wer hier sicher wird, kann nicht nur seine Arbeit adäquat berechnen, sondern auch die Wertschätzung der Kunden für strategische Beratung nachhaltig erhöhen.

Neben gestalterischen Fertigkeiten müssen deshalb auch Kompetenzen in Kommunikation, Markenentwicklung, ethischer Verantwortung, Medienrecht und unternehmerischem Denken stärker in den Fokus rücken. Wer in Zukunft erfolgreich sein möchte, braucht ein tiefes Verständnis für visuelle Kommunikation in einem komplexen medialen Umfeld und die Fähigkeit, Kunden darin souverän zu begleiten.

Authentizität durch Transparenz

Je überzeugender Text-to-Image-Modelle wie DALL·E, Stable Diffusion oder MidJourney ihre Ergebnisse liefern, desto wichtiger wird der Entstehungsprozess selbst für Glaubwürdigkeit und Authentizität. Es genügt nicht mehr, ein fertiges Bild zu präsentieren – entscheidend ist, wie transparent seine Entstehung nachvollzogen werden kann.

Technologische Standards wie die Content Authenticity Initiative (CAI) und der C2PA-Standard (Coalition for Content Provenance and Authenticity) leisten hier wichtige Pionierarbeit. Sie dokumentieren jeden Bearbeitungsschritt – von der Aufnahme über Retuschen bis hin zu möglichen generativen KI-Anteilen – fälschungssicher und verknüpfen diese Informationen direkt mit dem Bild. So können Betrachter:innen genau sehen, wie ein Bild entstanden ist und welchen Anteil KI daran hatte.

Damit diese Transparenz funktioniert, braucht es die aktive Beteiligung der gesamten Branche. Kamerahersteller, Softwareanbieter und Plattformbetreiber müssen diese Standards breit integrieren. Vertrauen entsteht nicht allein durch tolle Bilder, sondern durch die Nachvollziehbarkeit ihrer Herkunft.

Die Handschrift als Alleinstellungsmerkmal

Angesichts einer Bilderflut, die von Filtern, generativer Ästhetik und Social Media dominiert wird, rückt die persönliche Handschrift von Fotograf:innen immer stärker in den Vordergrund. Generative Systeme haben eine nahezu perfekte Ästhetik etabliert – doch genau das macht sie oft austauschbar. Parallel dazu spüren wir eine wachsende Sehnsucht nach Echtheit, nach Unperfektem, nach spürbarem Handwerk. Vor allem junge Menschen zieht es zurück zur analogen Fotografie: zur Filmkamera, zum greifbaren, haptischen Bild, das sich deutlich von der digitalen Perfektion abhebt.

Unsere individuelle Bildsprache, unser eigener Stil, wird so zum entscheidenden Alleinstellungsmerkmal. Es geht nicht um das perfekte Bild, sondern um Wiedererkennbarkeit, Charakter und Ausdruck. Kunden suchen Authentizität – und erwarten gleichzeitig, dass wir den souveränen Umgang mit modernen technischen Möglichkeiten beherrschen. Generative Bild-KI wird Teil unserer Werkzeuge sein: nicht als Ersatz, sondern als Erweiterung unserer kreativen Möglichkeiten. Entscheidend bleibt, dass wir die gestalterische Verantwortung übernehmen und die inhaltliche Richtung vorgeben.

KI als kreatives Werkzeug

Während Generative Bild-KI für manche noch wie eine Bedrohung des klassischen Fotografenhandwerks wirkt, zeigt sich in der Praxis längst ein anderes Bild: Künstliche Intelligenz entwickelt sich zu einem wertvollen Werkzeug im kreativen Prozess. Ich selbst nutze KI bereits, um Moodboards zu erstellen, Szenarien zu visualisieren oder Bildideen schneller zu skizzieren. Auch in der Nachbearbeitung eröffnet sie neue Möglichkeiten – sei es beim Retuschieren, beim Erzeugen komplexer Bildkompositionen oder in der Verschmelzung von fotografischen und KI-generierten Elementen.

Mit Technologien wie AI Fusion lassen sich Fotografie und KI zu hybriden Bildern verbinden, die bisher kaum oder nur mit weit höheren Budgets realisierbar gewesen wären. Dabei geht es nicht darum, die fotografische Arbeit zu ersetzen, sondern sie zu erweitern: KI wird zum zusätzlichen Pinsel im Werkzeugkasten, der hilft, kreative Visionen umzusetzen und Grenzen zu verschieben.

Entscheidend bleibt jedoch, wer die Richtung vorgibt. Die Technik liefert uns neue Möglichkeiten – aber die Verantwortung für Inhalt, Wirkung und Authentizität liegt weiterhin bei uns als Bildgestalter:innen.

Von der Bildproduktion zur visuellen Beratung

Die Grenzen zwischen den klassischen Disziplinen verschwimmen zunehmend. Fotografie, Video, CGI, KI-basierte Bildgenerierung – all das verschmilzt zu einem erweiterten Begriff der visuellen Kommunikation. Für die Kunden zählt dabei immer weniger, mit welchem Tool ein Bild erzeugt wurde. Entscheidend ist die Bildidee, die Geschichte, die transportierte Botschaft.

Für uns Fotograf:innen bedeutet das: Wir müssen stärker in strategischen Bahnen denken. Nicht alles müssen wir selbst technisch umsetzen können. Aber wir müssen die großen Zusammenhänge verstehen, beraten können und kreative Prozesse steuern. Ein agenturähnliches Denken wird immer wichtiger. Wir sind die Schnittstelle zwischen Idee, Marke, Zielgruppe und den verfügbaren Produktionstechnologien – auch wenn einzelne Schritte durch Spezialist:innen, CGI-Expert:innen oder KI-Dienstleistern übernommen werden.

Ein gutes Beispiel ist mein Artikel Employer Branding im Fokus: Mehr als nur ein Tischkicker, der zeigt, wie wir als Fotograf:innen strategische Partner:innen für Unternehmen werden können.

Kunden wollen visuelle Partner:innen

Die Erwartungen der Kunden verändern sich spürbar. Immer seltener werden einzelne Bilder „bestellt“, die isoliert in Kampagnen oder Social Media Posts eingebunden werden. Stattdessen wünschen sich Unternehmen und Marken langfristige Begleitung durch kreative Köpfe, die weit mehr bieten als reine Bildproduktion. Sie suchen Partner, die ihre Marke verstehen, visuelle Kommunikation über verschiedene Kanäle hinweg konsistent gestalten und strategisch weiterentwickeln.

Dieser Wandel hängt auch mit der zunehmenden Komplexität der medialen Landschaft zusammen. Marken müssen heute in kürzester Zeit auf Trends reagieren, neue Formate bedienen und gleichzeitig ein unverwechselbares Erscheinungsbild wahren. Dazu brauchen sie Menschen, die nicht nur technisch versiert sind, sondern auch ein tiefes Verständnis für Markenidentität, Zielgruppen und Kommunikationsstrategien mitbringen.

Für uns Fotograf:innen bedeutet das: zuhören, fragen, verstehen – und von Beginn an beratend begleiten. Wir müssen lernen, über einzelne Aufträge hinauszudenken und visuelle Strategien mit unseren Kunden zu entwickeln, die deren Werte, Ziele und Tonalität widerspiegeln. Das bedeutet auch, regelmäßig zu prüfen, ob bestehende Bildwelten noch zu den aktuellen Anforderungen passen, und bei Bedarf neue Konzepte vorzuschlagen.

Persönlichkeit wird zum Geschäftsmodell

Mit zunehmender Automatisierung und dem Einzug generativer Systeme geraten reine Produktionsleistungen immer stärker unter Preisdruck. Standardisierte Aufgaben – von der Produktfotografie bis zu einfachen Retuschen – lassen sich heute oft schneller, günstiger und teilweise automatisiert erledigen. Für uns Fotograf:innen bedeutet das: Unser Mehrwert liegt nicht länger allein in der technischen Umsetzung, sondern in allem, was darüber hinausgeht.

Was bleibt – und zunehmend an Bedeutung gewinnt – sind Geschäftsmodelle, die auf Persönlichkeit, Beratung und Spezialisierung setzen. Kunden buchen immer seltener das einzelne Bild. Sie entscheiden sich vielmehr für den Menschen dahinter: für Vertrauen, Empathie und die Fähigkeit, zuzuhören sowie komplexe visuelle Herausforderungen ganzheitlich zu begleiten. In einer Zeit, in der die Technik fast alles kann, wird es die menschliche Komponente sein, die den Unterschied macht.

Spezialisierungen auf bestimmte Branchen, Themen oder visuelle Stile schaffen dabei zusätzliche Tiefe und Wiedererkennbarkeit. Fotograf:innen, die es schaffen, ein klares Profil zu entwickeln und ihren eigenen Standpunkt zu vermitteln, werden nicht nur als technische Dienstleister:innen wahrgenommen, sondern als kreative Sparringspartner für ihre Kunden.

Die klassische Einmalbeauftragung tritt immer mehr zurück hinter langfristige Partnerschaften. Wer als Fotograf:in zur festen kreativen Begleitung wird – als jemand, der nicht nur liefert, sondern mitdenkt, berät und strategisch unterstützt – baut sich ein stabiles und zukunftsfähiges Geschäftsmodell auf. Es ist ein Wandel von der reinen Produktionsrolle hin zum kreativen Berater und Gestalter, der Unternehmen in ihrer visuellen Kommunikation nachhaltig prägt.

Ein Berufsbild im Wandel

KI wird die Fotografie verändern – nicht indem sie uns überflüssig macht, sondern indem sie uns die Chance gibt, unser Berufsbild neu zu definieren. Weg vom technischen Handwerk, hin zur kreativen Steuerung, zur strategischen Beratung, zum visuellen Partner auf Augenhöhe. Die Tools mögen sich verändern, doch das, was bleibt, ist der menschliche Blick für Geschichten, die Fähigkeit, Vertrauen aufzubauen, und die Verantwortung, Bilder mit Bedeutung zu füllen. Genau darin liegt unsere Zukunft.

Thomas B. Jones

Thomas B. Jones ist deutsch-amerikanischer Fotograf, Autor und visueller Geschichtenerzähler mit Sitz in Kirchheim unter Teck. Sein Fokus liegt auf Porträt- und Reportagefotografie – immer auf der Suche nach authentischen Momenten und echten Geschichten. Neben seiner Arbeit für Unternehmen und Agenturen widmet er sich freien Projekten, die gesellschaftliche, politische und persönliche Themen beleuchten. Seine Reportagen erzählen vom Alltag, vom Wandel und von Menschen, die das Besondere im Alltäglichen sichtbar machen.

https://www.thomasjones.de
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